Ernährungsinterventionen zur Prävention von Typ-2-Diabetes: Prof. Dr. Markus Masin erklärt wirksame Strategien

Die präventive Rolle der Ernährung bei Typ-2-Diabetes

Typ-2-Diabetes entwickelt sich zu einer globalen Gesundheitskrise mit mittlerweile über 8 Millionen Betroffenen allein in Deutschland. Besonders alarmierend ist der stetige Anstieg bei jüngeren Menschen. Ernährungsfaktoren spielen sowohl bei der Entstehung als auch bei der Prävention eine Schlüsselrolle, die weit über das bloße Kalorienmanagement hinausgeht.

„Bei der Diabetesprävention geht es nicht primär um Gewichtsreduktion, sondern um die gezielte Beeinflussung metabolischer Prozesse durch spezifische Nahrungskomponenten“, erklärt der Experte in seinen Fachvorträgen. „Bestimmte Ernährungsmuster können direkt die Insulinsensitivität verbessern, entzündliche Prozesse reduzieren und die Betazellfunktion unterstützen.“

Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit ernährungsbasierter Präventionsstrategien ist überzeugend. Große Interventionsstudien wie die Finnish Diabetes Prevention Study und das US Diabetes Prevention Program zeigten, dass durch gezielte Ernährungsumstellung das Diabetesrisiko um 40–60 % gesenkt werden kann – ein Effekt, der die Wirksamkeit medikamentöser Interventionen übertrifft und auch langfristig anhält.

Identifikation und Stratifizierung von Risikopersonen

Die effektive Prävention beginnt mit der frühzeitigen Identifikation gefährdeter Personen. An führenden Diabeteszentren wurde ein mehrstufiges Screeningkonzept entwickelt, das neben klassischen Risikofaktoren auch neuere Biomarker einbezieht.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Prädiabetes – einem Zustand, der durch eine gestörte Glukosetoleranz oder eine abnorme Nüchternglukose gekennzeichnet ist und bei bis zu 70 % der Betroffenen innerhalb von 10 Jahren in einen manifesten Diabetes übergehen kann. Durch gezielte Ernährungsinterventionen lässt sich diese Progression in vielen Fällen aufhalten oder sogar umkehren.

Dr. Masin empfiehlt ein strukturiertes Risiko-Assessment, das folgende Parameter berücksichtigt:

  • Klassische Risikofaktoren (Familienanamnese, BMI, Bauchumfang, Alter)
  • Metabolische Parameter (Glukosetoleranz, Nüchternglukose, HbA1c)
  • Inflammatorische Marker (hs-CRP, IL-6)
  • Hormonelle Faktoren (Adiponektin, Leptin)
  • Genetische Marker bei gezielten Indikationen

Auf Basis dieses multimodalen Assessments erfolgt eine Risikostratifizierung, die die Grundlage für individualisierte Präventionsstrategien bildet.

Evidenzbasierte Ernährungsstrategien nach Dr. Masin

Die ernährungsmedizinische Diabetesprävention hat sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Statt pauschaler Empfehlungen zur Reduktion von Zucker und Fett stehen heute differenzierte Ernährungskonzepte im Vordergrund, die auf die individuellen metabolischen Risikoprofile abgestimmt sind.

Der Präventionsexperte unterscheidet dabei zwischen drei grundlegenden Ansätzen:

  1. Ernährungsmuster mit nachgewiesener präventiver Wirkung
  2. Gezielte Modulation spezifischer Stoffwechselprozesse
  3. Personalisierte Ernährungsinterventionen auf Basis metabolischer Phänotypisierung

„Ein entscheidender Faktor für den Erfolg präventiver Ernährungsinterventionen ist die Nachhaltigkeit“, betont der Diabetesexperte. „Selbst das wissenschaftlich fundierteste Konzept bleibt wirkungslos, wenn es nicht langfristig in den Alltag integriert werden kann.“

Mediterrane Ernährung als präventives Grundmuster

Unter den verschiedenen Ernährungsmustern hat die mediterrane Ernährung die überzeugendste Evidenz für ihre diabetespräventive Wirkung. Die PREDIMED-Studie zeigte eine Risikoreduktion von bis zu 52 % bei Personen, die einer mediterranen Ernährung mit zusätzlicher Olivenöl- oder Nussaufnahme folgten.

Der Ernährungsexperte hat dieses Grundkonzept weiterentwickelt und an mitteleuropäische Ernährungsgewohnheiten angepasst. Die Schlüsselelemente umfassen:

  • Reichlich pflanzliche Lebensmittel (Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse)
  • Olivenöl als primäre Fettquelle
  • Moderate Mengen an Fisch und Meeresfrüchten
  • Begrenzte Aufnahme von rotem Fleisch und Milchprodukten
  • Moderate Mengen an Wein (vorzugsweise Rotwein) zu den Mahlzeiten

„Die präventive Wirkung der mediterranen Ernährung beruht nicht auf einzelnen Komponenten, sondern auf dem synergistischen Zusammenspiel bioaktiver Substanzen“, erklärt Prof. Dr. Markus Masin. „Besonders wertvoll sind sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole und ungesättigte Fettsäuren, die direkt in entzündliche und metabolische Prozesse eingreifen können.“

Gezielte Modulation der Mikrobiota

Ein innovativer Ansatz in der ernährungsbasierten Diabetesprävention ist die gezielte Beeinflussung der Darmflora. Die Zusammensetzung der intestinalen Mikrobiota hat erheblichen Einfluss auf Stoffwechselprozesse, Entzündungsreaktionen und die Glukosehomöostase.

In der Diabetologie Münster des UKM, bei welcher Prof. Dr. Masin bis 2015 tätig war, wurden spezifische Ernährungsstrategien zur Modulation der Mikrobiota erforscht und in präventive Konzepte integriert. In diesem Bereich empfiehlt er insbesondere:

  • Erhöhte Aufnahme fermentierbarer Ballaststoffe aus verschiedenen Quellen
  • Integration fermentierter Lebensmittel (Joghurt, Kefir, Sauerkraut, Kimchi)
  • Diversifizierung der pflanzlichen Nahrung zur Förderung mikrobieller Vielfalt
  • Reduktion hochverarbeiteter Lebensmittel und künstlicher Süßstoffe

Studien zeigen, dass diese mikrobiotamodulierende Ernährungsweise die Insulinsensitivität verbessern, Entzündungsmarker reduzieren und die intestinale Barrierefunktion stärken kann – Faktoren, die direkt mit dem Diabetesrisiko korrelieren.

Kohlenhydratqualität statt Kohlenhydratzählen

Ein besonderer Fokus der präventiven Ernährungskonzepte liegt auf der Qualität der Kohlenhydrate. Statt einer pauschalen Kohlenhydratrestriktion, wie sie oft empfohlen wird, betont der Direktor des Medical Institute for Nutritional Science and Technology die differenzierte Betrachtung von Kohlenhydratquellen und deren metabolische Wirkungen.

„Entscheidend ist nicht die absolute Kohlenhydratmenge, sondern deren Qualität und metabolische Wirkung“, erklärt der Spezialist. „Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und bestimmte Knollengemüse haben trotz ihres Kohlenhydratgehalts eine nachweisbare präventive Wirkung.“

Besondere Bedeutung kommt dabei dem glykämischen Index und der glykämischen Last zu. Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index führen zu einer geringeren postprandialen Insulinausschüttung und können so langfristig die Betazellfunktion schützen. Die systematische Umstellung auf Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index kann das Diabetesrisiko um bis zu 25 % senken.

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