Technologische Hilfsmittel im Diabetes-Management: Einblicke von Prof. Dr. Markus Masin

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Wie moderne Technologien das Selbstmanagement bei Diabetes revolutionieren und welche Innovationen Dr. Masin für seine Patienten besonders empfiehlt.

In der Betreuung von Diabetespatienten setzt Markus Masin zunehmend auf digitale Lösungen, die sowohl die Therapiesteuerung als auch die Lebensqualität verbessern – von kontinuierlichen Glukosemesssystemen über intelligente Insulinpumpen bis hin zu KI-gestützten Entscheidungshilfen.

Prof. Dr. Masin, welcher bis 2015 an der Diabetologie Münster des UKM tätig war,  evaluiert systematisch den Einsatz innovativer Technologien im Diabetes-Management. Seine Forschungsergebnisse bestätigen: Moderne digitale Hilfsmittel können die Stoffwechseleinstellung signifikant verbessern und gleichzeitig die krankheitsbedingte Belastung der Patienten reduzieren.

Die digitale Revolution in der Diabetestherapie

Die Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Während früher die punktuelle Blutzuckermessung und manuelle Insulindosierung den Standard darstellten, ermöglichen heute innovative Technologien ein präziseres, komfortableres und sichereres Management der Erkrankung.

„Die technologischen Fortschritte haben die Diabetestherapie tiefgreifender verändert als die meisten pharmakologischen Innovationen der letzten Jahrzehnte“, erklärt Markus Masin in seinen Fachvorträgen. „Wir sehen eine Entwicklung hin zum Closed-Loop-System – dem künstlichen Pankreas – das den Patienten eine nie dagewesene therapeutische Freiheit ermöglicht.“

Der Weg zur optimalen Nutzung dieser Technologien ist komplex und erfordert eine differenzierte Herangehensweise. Nicht jede Innovation ist für jeden Patienten geeignet, und die erfolgreiche Integration in den Therapiealltag hängt von zahlreichen Faktoren ab – von der technischen Affinität über die kognitive Leistungsfähigkeit bis hin zu den individuellen Therapiezielen.

Die aktuelle Datenlage zeigt jedoch eindeutig: Bei sachgerechtem Einsatz führen moderne Diabetestechnologien zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle, reduzieren schwere Hypoglykämien und steigern die Lebensqualität. Besonders beeindruckend sind die Erfolge bei Patienten mit problematischem Glukoseprofil, häufigen schweren Unterzuckerungen oder hoher Glukosevariabilität.

CGM-Systeme: Die Revolution der Glukosemessung

Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) hat das Diabetesmanagement grundlegend verändert. Im Gegensatz zur herkömmlichen Blutzuckerselbstmessung, die nur Momentaufnahmen liefert, zeichnen CGM-Systeme den Glukoseverlauf nahezu lückenlos auf und ermöglichen so ein völlig neues Verständnis der individuellen Stoffwechseldynamik.

„Die kontinuierliche Glukosemessung liefert nicht nur quantitativ mehr Daten, sondern qualitativ andere Informationen“, betont der Facharzt. „Glukosetrends und -schwankungen werden sichtbar und ermöglichen proaktive statt reaktive therapeutische Entscheidungen.“

In spezialisierten Zentren werden verschiedene CGM-Systeme eingesetzt und systematisch evaluiert. Die Erfahrungen zeigen, dass insbesondere folgende Patientengruppen von dieser Technologie profitieren:

  • Patienten mit problematischen Hypoglykämien oder Hypoglykämiewahrnehmungsstörung
  • Kinder und Jugendliche mit stark schwankenden Blutzuckerwerten
  • Schwangere mit Diabetes
  • Patienten mit hoher Glukosevariabilität trotz intensiver konventioneller Therapie
  • Menschen mit unregelmäßigem Lebensstil (Schichtarbeit, häufiges Reisen)

Die neuen Metriken des Glukosemanagements von Prof. Dr. Markus Masin

Mit der Verbreitung von CGM-Systemen haben sich auch die relevanten Zielparameter der Diabetestherapie erweitert. Neben dem HbA1c als Langzeitmarker gewinnen neue Messgrößen an Bedeutung, die ein differenzierteres Bild der Stoffwechselqualität zeichnen.

Besondere klinische Relevanz haben diese Metriken:

  • Time in Range (TIR): Der Prozentsatz der Zeit, in der sich die Glukosewerte im Zielbereich befinden (typischerweise 70–180 mg/dl)
  • Glukosevariabilität: Das Ausmaß der Blutzuckerschwankungen, messbar durch verschiedene Indizes
  • Time Below Range (TBR): Die Zeit in Hypoglykämie, ein kritischer Sicherheitsparameter

„Diese Metriken ermöglichen eine personalisiertere und zielgerichtetere Diabetestherapie“, erklärt Markus Masin. „Ein Patient mit gutem HbA1c, aber häufigen unbemerkten Hypoglykämien benötigt andere therapeutische Maßnahmen als jemand mit hoher Glukosevariabilität bei gleichem HbA1c-Wert.“

Praktische Implementierung von CGM-Technologie

Die erfolgreiche Integration von CGM-Systemen in den Therapiealltag erfordert eine strukturierte Herangehensweise. In der klinischen Praxis hat sich ein mehrstufiges Implementierungskonzept bewährt, das von der Bedarfsanalyse über die technische Einweisung bis zur Dateninterpretationsschulung reicht.

„Die Technologie ist nur so gut wie ihre Anwendung“, betont der Experte. „Ein hoch entwickeltes CGM-System ohne adäquate Schulung und Begleitung kann mehr verunsichern als helfen.“

Automatisierte Insulinabgabe: Der Weg zum künstlichen Pankreas

Die Kombination von CGM-Systemen mit automatisierten Insulinabgabesystemen stellt den nächsten großen Schritt in der Entwicklung der Diabetestechnologie dar. Diese als Hybrid-Closed-Loop oder Artificial Pancreas bezeichneten Systeme passen die Insulinzufuhr kontinuierlich an den aktuellen und prognostizierten Glukoseverlauf an.

In seiner Forschungsarbeit evaluiert Prof. Dr. Masin verschiedene Closed-Loop-Systeme. Die Erfahrungen sind beeindruckend: Eine Verbesserung der Time in Range um 10–20 Prozentpunkte, eine Reduktion der Hypoglykämien um bis zu 70 % und eine signifikante Entlastung der Patienten im Therapiealltag.

„Die automatisierten Insulinabgabesysteme nehmen den Patienten einen erheblichen Teil der kognitiven Last des Diabetes ab“, erklärt Markus Masin. „Gerade nachts, wenn die bewusste Steuerung nicht möglich ist, bieten diese Systeme eine bisher unerreichbare Sicherheit.“

Die verschiedenen Automatisierungsgrade

Bei den automatisierten Insulinabgabesystemen lassen sich verschiedene Entwicklungsstufen unterscheiden – von der einfachen Abschaltautomatik bei drohender Unterzuckerung bis hin zu vollautomatischen Systemen, die sowohl die Basalrate als auch die Mahlzeiten-Boli selbstständig steuern.

„Die meisten aktuellen Systeme befinden sich auf der Stufe des Hybrid-Closed-Loops“, erläutert der Medizin- und Diabeteswissenschaftler. „Der Weg zum vollautomatischen künstlichen Pankreas ist noch mit regulatorischen und technischen Hürden verbunden, aber die Entwicklung schreitet rasant voran.“

Die Rolle der Digitalisierung im Diabetesmanagement

Jenseits von CGM und automatisierter Insulinabgabe eröffnet die Digitalisierung weitere Möglichkeiten im Diabetesmanagement. Smartphone-Apps, Telemedizin und künstliche Intelligenz bieten neue Wege der Patientenbetreuung und Therapieoptimierung.

Die Wissenschaftler untersuchen insbesondere, wie diese digitalen Tools die Selbstmanagementfähigkeiten der Patienten stärken und die ärztliche Betreuung ergänzen können. Dabei zeigt sich: Der Nutzen digitaler Lösungen hängt entscheidend von deren Integration in ein umfassendes Betreuungskonzept ab.

Telemedizinische Betreuungskonzepte

Die COVID-19-Pandemie hat die Entwicklung telemedizinischer Versorgungsmodelle beschleunigt. In spezialisierten Diabeteszentren wurden strukturierte Konzepte für die virtuelle Patientenbetreuung entwickelt und evaluiert – von videobasierten Sprechstunden über asynchrone Therapieberatung bis hin zu virtuellen Gruppenschulungen.

„Telemedizin ist nicht einfach die Verlagerung der Sprechstunde ins Internet“, betont Dr. Masin. „Sie erfordert angepasste Kommunikationsstrategien und neue Formen der therapeutischen Beziehungsgestaltung.“

Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Bei geeigneter Patientenselektion und strukturierter Implementierung kann telemedizinische Betreuung die Versorgungsqualität verbessern und gleichzeitig den Zugang zu spezialisierter Diabetesexpertise erleichtern – besonders in unterversorgten ländlichen Regionen.

Künstliche Intelligenz im Patientenalltag

Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet neue Dimensionen in der Auswertung und Nutzung diabetesbezogener Daten. Durch maschinelles Lernen können Muster erkannt, Prognosen erstellt und individuelle Therapieempfehlungen abgeleitet werden, die mit herkömmlichen Analysemethoden nicht möglich wären.

Besonders vielversprechende Anwendungsfelder sind die Prädiktion von Glukoseverläufen, die frühzeitige Hypoglykämiewarnung und die Identifikation individueller Einflussfaktoren auf den Stoffwechsel. Patienten profitieren von personalisierten Handlungsempfehlungen, die in Echtzeit auf ihren Smartphones bereitgestellt werden.

Digitale Kompetenz als Schlüsselfaktor

Die technologischen Innovationen im Diabetesmanagement stellen sowohl Patienten als auch medizinisches Fachpersonal vor neue Herausforderungen. Die erfolgreiche Nutzung erfordert spezifische Kompetenzen – von der technischen Handhabung über die Dateninterpretation bis zur Integration in den Therapiealltag.

„Technologie allein reicht nicht aus“, fasst Dr.  Markus Masin zusammen. „Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Befähigung der Menschen, diese Technologie sinnvoll in ihren Lebensalltag zu integrieren – und in einem Gesundheitssystem, das die nötigen Rahmenbedingungen schafft.“

Die digitale Transformation der Diabetestherapie steht noch am Anfang. Mit der Weiterentwicklung von CGM-Systemen, automatisierten Insulinabgabesystemen und KI-gestützten Entscheidungshilfen eröffnen sich faszinierende Perspektiven für eine präzisere, sicherere und komfortablere Diabetestherapie – und damit für ein besseres Leben mit Diabetes.

Heute setzt Prof. Dr. Masin seine innovative Arbeit im Bereich der Diabetestechnologie über mehrere Wege fort. Mit seiner Stiftung www.dsgme.org unterstützt er Patienten strukturiert bei der Nutzung moderner Technologien, während er in seiner ambulanten Praxis individualisierte Konzepte für den Einsatz digitaler Hilfsmittel anbietet.

Seine wissenschaftliche Forschung zu neuen Diabetestechnologien führt er über sein Institut in Riga (www.minst.lv) weiter, wo er an der Optimierung und Weiterentwicklung digitaler Lösungen arbeitet.

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